Episode 30: Abweichungen passieren, weil Fehler menschlich sind…

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Herzlich willkommen bei unserer 30. Episode GMP & TEA.


Die 30. Folge – und es ist noch kein Ende in Sicht! Unsere anfänglichen Befürchtungen, dass uns irgendwann die Themen ausgehen könnten, haben sich bislang nicht bewahrheitet. Im Gegenteil!


Bei einer Schlagwortanalyse haben wir neulich – wenig überraschend – festgestellt, dass beispielsweise der Begriff „Abweichung“ in stolzen 16 Folgen gefallen ist. Überraschend ist es da schon eher, dass wir diesem zentralen Thema noch keine eigene Folge gewidmet haben. Das soll sich heute ändern.


Heute dreht sich alles um Abweichungen – um jene Vorkommnisse also, die sich keiner herbeiwünscht, die sich aber wohl nie gänzlich vermeiden lassen. Unter anderem – aber nicht nur –, weil Fehler eben menschlich sind.


Wir beschäftigen uns in dieser Episode mit den „schwarzen Schafen“ in der Pharmaproduktion. So possierlich und charmant sie in der Tierwelt auch sein mögen, in der GMP-Welt sind sie eher störend. Sie sind der Sand im Getriebe des reibungslosen Manufacturing, der erkannt, erfasst und untersucht werden muss.


Dabei besteht die Kunst darin, nicht nur einen einzelnen Ausreißer, also ein einzelnes schwarzes Schaf zu identifizieren. Denn das fällt in einer Herde, in der weiß die dominierende Farbe ist, meist recht leicht.


Es geht unter anderem auch darum, die grauen Tiere zu erkennen, die nicht auf den ersten Blick herausstechen. Wie das gelingt und vom korrekten Umgang mit diesen unerwünschten Abweichungen handelt unsere heutige Episode.


Doch bevor wir tiefer in die Materie einsteigen: Haben Sie sich auch eine Tasse Tee oder Kaffee gemacht? Mein Name ist Thomas Peither, und ich will Ihnen heute wieder einen Impuls für Ihre GMP-Compliance geben.


Sie wissen bereits, was jetzt kommt. Unsere Bitte um Ihr Feedback: Was können wir verbessern? Haben Sie Themenvorschläge für kommende Episoden? Bestimmt fällt auch Ihnen etwas ein, dass wir zum Beispiel häufig erwähnt, aber bisher noch nicht zum zentralen Gegenstand unseres Webcasts gemacht haben. Dann schreiben Sie uns einfach eine Mail an GMPandTEA@gmp-verlag.de


Ich verspreche Ihnen, dass wir jede E-Mail beantworten.


Kommen wir nun zu unserem heutigen Thema: Abweichungen passieren, weil Fehler menschlich sind… Dabei gehen wir auf folgende beide Fragen im Detail ein:

  • Wie unterscheiden sich Abweichungen und Änderungen?
  • Und: warum sind geplante Abweichungen nicht mehr erwünscht?
  • Gegen Ende warten noch einige Empfehlungen für ein Abweichungsmanagement auf Sie.


Was ist eine Abweichung? Und was unterscheidet sie von einer Änderung?


Vermeintlich einfache Fragen, die sich auf den ersten Blick gar nicht so einfach beantworten lassen. Denn eine scharf umrissene, allgemein gültige Definition für den Begriff „Abweichung“ finden wir in den verschiedenen Regelwerken der USA und EU nicht.


Um die Verwirrung komplett zu machen, werden auch gerne unterschiedliche Begriffe verwendet: Abweichung, Qualitätsabweichung, GMP-Abweichung, Produktfehler, OOS oder im Englischen: deviation, discrepancy, atypical situation, non-conformity.


Diese Begriffe lassen zwar alle Ähnliches vermuten, werden jedoch für ganz unterschiedliche Vorfälle verwendet. Um Unschärfen und damit mögliche Missverständnisse zu vermeiden, muss daher jedes Unternehmen individuell festlegen, was unter einer Abweichung verstanden wird.


Ganz allgemein gilt, dass eine Abweichung immer unbeabsichtigt auftritt, also ungeplant und retrospektiv.


Im Gegensatz dazu ist eine Änderung eine geplante und gewollte Abwandlung, wie zum Beispiel die Erweiterung oder der Austausch von Vorschriften, Spezifikationen, Geräten, Methoden oder Prozessen. Eine Änderung erfolgt also immer prospektiv und hat einen bleibenden, das heißt, längerfristigen oder gar permanenten Charakter.


Doch zurück zu den Abweichungen. Genauso wie der private Alltag einem immer wieder Unvorhergesehenes beschert, kann es trotz allergrößter Sorgfalt in jedem Unternehmen zu unerwarteten Ereignissen kommen. Es wird immer äußere Einflüsse und menschliche Schwächen geben, die zu Unregelmäßigkeiten führen, seien es technische Pannen, prozessbedingte Schwierigkeiten, Materialfehler, Unaufmerksamkeiten oder missverständliche Angaben und Vorschriften.


Das ist nicht optimal, aber muss auch nicht weiter schlimm sein, denn eine Abweichung, die sauber protokolliert und den Vorgesetzten gemeldet wurde, ist noch kein Fehler. Die Kunst liegt in der richtigen Reaktion und im richtigen Umgang mit solchen Überraschungen.


(Technische Bildpanne)


Oh, scheint so, als hätte unser Kamera-Akku gerade eben den Geist aufgegeben. Wie mit diesem Fauxpas umgegangen werden sollte, ist ganz einfach. Mit der Maßgabe, in Zukunft vor Beginn der Dreharbeiten konsequent darauf zu achten, dass der Akku unserer Kamera nicht nur bis zur Hälfte, sondern vollständig aufgeladen ist, sollte diese kleine Drehunterbrechung ein Einzelfall bleiben.


In der Pharmaproduktion stellen Abweichungen aber natürlich nicht bloß eine kurze Unterbrechung dar, sondern können weitreichende Konsequenzen haben. Steht doch nicht selten die Freigabe einer kompletten Charge auf dem Spiel!


Um den firmeninternen Umgang mit Abweichungen zu strukturieren, ist eine Übersicht über häufig angewendete Definitionen von Abweichungen hilfreich. Vorausgesetzt, man gestaltet diese möglichst umfassend, lassen sich damit nämlich relevante Daten aus verschiedenen Bereichen gemeinsam erfassen und vergleichend bewerten.


Abweichungen können im Bereich der Herstellung und Verpackung auftreten, etwa im Zusammenhang mit

  • Herstellungsvorschriften,
  • Prozessparametern oder -spezifikationen,
  • Prüfvorschriften für Inprozess-Kontrollen oder
  • Inprozess-Spezifikationen.


Auch sind Auffälligkeiten im Prozess oder unerwartete Maschinenstopps während der Produktion beziehungsweise Verpackung nicht ausgeschlossen.


Zu Abweichungen kann es ferner bei der Qualitätskontrolle kommen, wenn zum Beispiel von Prüfvorschriften abgewichen wird oder OOS-, OOT- oder OOE-Ergebnisse auftreten. Und natürlich kennen wir auch alle Abweichungen im Zusammenhang mit Maschinen, Anlagen, Geräten, Räumen oder Medien. Maschinen sind eben auch einmal defekt, und Systeme fallen auch mitunter aus. Temperatur, Feuchtigkeit, Partikelzahl, Druckdifferenzen oder Kalibrierergebnisse können außerhalb der Grenzen liegen. Kalibrier- oder Wartungsintervalle werden hin und wieder nicht eingehalten, oder es kommt zu Abweichungen im mikrobiologischen Monitoring, um nur einige Beispiele zu nennen.


Ferner können Prozesse fehlerbehaftet sein, etwa wenn SOPs nicht exakt befolgt werden. Auch sind Lager vor Unregelmäßigkeiten nicht gefeit. Stichworte: Ungezieferkontrolle oder Temperaturschwankungen.


Grundsätzlich kann man zwischen chargenspezifischen und nicht-chargenspezifischen Abweichungen unterscheiden. Die eben genannten Vorfälle, die beispielsweise während des Herstellungsprozesses auftreten können, werden meist direkt jeweilige Chargen betreffen und unter Umständen Einfluss auf die Produktqualität haben. Das heißt: die Sicherheit, Qualität, Identität, Reinheit oder der Gehalt des Produktes sind in Frage gestellt.


Aber auch bei nicht-chargenspezifischen Abweichungen, zum Beispiel im Rahmen von Umgebungsmonitoring der Reinraumklasse C, muss im Rahmen der Untersuchung immer der mögliche Einfluss auf einzelne Chargen bewertet werden.


Nach dieser ausführlichen, aber längst nicht vollständigen Aufzählung möglicher Abweichungen wollen wir die Sache kurz aus der entgegengesetzten Perspektive betrachten und drehen den Spieß ganz einfach um. In der Praxis hat es sich nämlich durchaus bewährt, auch klar darzulegen, in welchen Bereichen des Unternehmens das Abweichungsmanagement keine Anwendung findet. Das sind in der Regel gar nicht so wenige.


Die Abgrenzung „Wann liegt eine Abweichung vor?“ lässt sich zum Beispiel bei Monitoringsystemen sehr gut erklären. Angenommen, bei einem Wassersystem überschreiten Qualitätsparameter eine Warngrenze. Sind etwa die online ermittelten TOC-Werte erhöht, muss dies zwar systematisch betrachtet und untersucht werden – eine Überschreitung von Warngrenzen stellt aber nicht zwangsläufig eine Abweichung im Sinne des Abweichungsmanagements dar. Das ist erst der Fall, wenn die Alarmgrenze überschritten wird.


Weitere Beispiele für eigenständige Prozesse oder Systeme, die üblicherweise in anderen Strukturen als dem Abweichungsmanagement gehandhabt werden, sind Auditbeobachtungen, Reklamationen, Rückrufe, Beobachtungen im Bereich der Pharmakovigilanz oder der Herstellung von klinischen Prüfmustern Phase I.


Abweichungen und das damit verbundene Abweichungsmanagement sind natürlich keine isolierten Inseln im GMP-Gefüge, sondern es ergeben sich zahlreiche Schnittstellen mit anderen Qualitätsprozessen: so zum Beispiel dem CAPA-System, dem Qualitätsrisikomanagementsystem sowie dem Fehlermanagement. Außerdem werden Abweichungen als Indikator für die Robustheit von Prozessen und Abläufen im Management Review berücksichtigt. Kommen wir nun auf etwas zu sprechen, was es eigentlich gar nicht gibt: geplante Abweichungen.


Kommen wir nun auf etwas zu sprechen, was es eigentlich gar nicht gibt: geplante Abweichungen.


Alter Knabe, stummer Schrei, geordnetes Chaos, offenes Geheimnis – solche Wortpaarungen sind als literarisches Stilmittel zwar „teuflisch gut“, in der rationalen GMP-Welt haben sie aber nichts zu suchen. Der Begriff „geplante Abweichung“ ist ein Widerspruch in sich selbst, denn, wir haben es vorhin erwähnt, Abweichungen sind ihrem Wesen nach ungeplant. Sie treten spontan auf und stellen Einzelfälle dar.


Zumindest aus den deutschen Vorschriften wurde der Begriff der „geplanten Abweichung“ daher verbannt. In anderen EU-Staaten wird dies weniger stringent gehandhabt, jedoch geht der Trend in die gleiche Richtung.


In den USA hingegen sind geplante Abweichungen weit verbreitet, etabliert und akzeptiert. Dies betrifft vor allem kurzfristige Abweichungen beziehungsweise Änderungen von Abläufen und Prozessen, die kontrolliert einmalig ablaufen sollen. Dazu zählen zum Beispiel zusätzliche Musterzüge im Herstellungsprozess oder wenn ein Ausgangsstoff ohne vollständigen Abschluss der Freigabeuntersuchungen eingesetzt wird, da die mikrobiologischen Ergebnisse noch ausstehen. Diese sogenannten „geplanten Abweichungen“ werden auch als temporary change bezeichnet.


Prinzipiell müssen sie den gleichen Anforderungen hinsichtlich der Risikobewertung und der gegebenenfalls zu ergreifenden Maßnahmen zur Risikominimierung genügen wie ungeplante Abweichungen.


Es lohnt sich auf jeden Fall und spart im Nachgang viel Zeit und Ressourcen, wenn man die Begriffe

  • Abweichungen,
  • Änderungen und
  • geplante Abweichungen beziehungsweise vorübergehende Änderungen klar voneinander abgrenzt.


Sie sehen hinter mir eine entsprechende Gegenüberstellung. Hat man diese einmal verinnerlicht, sollte es zu keinen Unschärfen und Doppelspurigkeiten mehr kommen. Vielleicht drucken Sie die entsprechende Folie auch aus und hängen Sie an einer prominenten Stelle in Ihrem Unternehmen auf. Sie wissen ja: Steter Tropfen höhlt den Stein!


Der Umgang mit Abweichungen wird in den üblichen Regelwerken an verschiedenen Stellen beschrieben. Ich möchte hier stellvertretend zwei herausgreifen, zum einen die AMWHV (also die Arzneimittel- und Wirkstoff-Herstellungsverordnung), wo es in § 13 bzw. § 14 recht lapidar heißt: „Alle Abweichungen im Prozess und von der Festlegung der Spezifikation sind zu dokumentieren und gründlich zu untersuchen.“


Im Prinzip ist damit alles gesagt. Ob Ihnen diese Formulierung im Alltag tatsächlich konkret weiterhilft, steht auf einem anderen Blatt.


Da hilft schon eher ein Blick in den EU-GMP-Leitfaden, der zum Beispiel in Kapitel 1.4 für das Pharmazeutische Qualitätssystem fordert:

„[…] dass die Ergebnisse des Produkt- und Prozessmonitorings berücksichtigt werden bei der Chargenfreigabe, bei der Überprüfung von Abweichungen und mit Blick auf Vorbeugungsmaßnahmen, um eventuelle Abweichungen zukünftig zu verhindern;“


Und weiter heißt es,

„[…] dass während der Überprüfung von Abweichungen, vermuteten Produktfehlern und anderen Problemen ein geeigneter Grad einer Ursachenanalyse angewandt wird. Dies kann durch Verwendung von Grundsätzen des Qualitäts-Risikomanagements eruiert werden. In Fällen, in denen die genaue Ursache nicht eruiert werden kann, sollte erwogen werden, die wahrscheinlichste(n) Ursache(n) zu identifizieren und diese anzugehen. Wenn ein menschlicher Fehler als Ursache vermutet oder identifiziert wurde, sollte dies begründet werden unter Beachtung, dass sichergestellt wurde, dass verfahrenstechnische oder systembasierte Fehler, sofern vorhanden, nicht übersehen wurden. Angemessene Korrekturmaßnahmen und/oder vorbeugende Maßnahmen (CAPAs) sollten identifiziert und ergriffen werden als Reaktion auf die Überprüfung. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen sollte überwacht und bewertet werden in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Qualitäts-Risikomanagements.“


Das ist als grundlegende Maßgabe zur Ausgestaltung eines Abweichungsmanagementsystems schon sehr hilfreich.


Weitere grundlegende Anforderungen zum Umgang mit Abweichungen finden sich in Kapitel 1.8, 1.9, 1.10 und 4.20 des EU-GMP-Leitfadens. Für den amerikanischen Markt ist der 21 CFR 211 maßgeblich, der dem Thema Abweichungen verschiedene Abschnitte widmet.


Für den amerikanischen Markt ist der 21 CFR 211 maßgeblich, der dem Thema Abweichungen verschiedene Abschnitte widmet.


Abweichungen sind Gegenstand nahezu jeder Inspektion. Dabei werden Abweichungsberichte stichpunktartig überprüft und beispielsweise mit Blick auf die

  • Untersuchungstiefe,
  • Nachvollziehbarkeit,
  • Ursachenermittlung,
  • Maßnahmenfestlegung und
  • Effektivitätsprüfung
  • unter die Lupe genommen.


Grundlegend werden folgende Anforderungen an den Umgang mit Abweichungen gestellt: Es wird erwartet, dass sie vollständig aufgezeichnet und untersucht werden und das resultierende Risiko bewertet wird. Dabei ist auch immer zu prüfen, ob neben der unmittelbar betroffenen auch andere Chargen in Mitleidenschaft gezogen sein könnten. Gegebenenfalls müssen geeignete Maßnahmen für die entsprechenden Chargen festgelegt und hinsichtlich ihres Risikos auch für andere Prozesse beurteilt werden. Ferner muss die Effektivität der Maßnahmen in einem CAPA-System überprüft werden.


Um all diesen Anforderungen gerecht zu werden, wird die systematische Bearbeitung von Abweichungen, also das Abweichungsmanagement, in verschiedene Phasen eingeteilt. Dabei ist die optionale Phase 0 als Ereignismanagement vorangestellt. Trägt man hier bereits Daten zusammen, fällt der Aufwand in der nachfolgenden Phase 1, der Abweichungseröffnung, natürlich geringer aus. Gerade in diesen frühen Phasen ist es wichtig, die Eingabemasken bzw. Formblätter übersichtlich zu gestalten. Ermöglichen Sie daher eine einfache Dateneingabe, legen Sie den Fokus auf die unbedingt erforderlichen Daten, und achten Sie auf eine nachvollziehbare und vollständige Fehlerbeschreibung!


Dabei ist die optionale Phase 0 als Ereignismanagement vorangestellt. Trägt man hier bereits Daten zusammen, fällt der Aufwand in der nachfolgenden Phase 1, der Abweichungseröffnung, natürlich geringer aus. Gerade in diesen frühen Phasen ist es wichtig, die Eingabemasken bzw. Formblätter übersichtlich zu gestalten. Ermöglichen Sie daher eine einfache Dateneingabe, legen Sie den Fokus auf die unbedingt erforderlichen Daten, und achten Sie auf eine nachvollziehbare und vollständige Fehlerbeschreibung!


Zudem ist es erforderlich, die getroffenen Sofortmaßnahmen, deren Ergebnis und vorbeugende Maßnahmen zur Eindämmung des Problems zu dokumentieren. Die Meldung muss übrigens innerhalb des vorgegebenen Zeitraums nach Auftreten der Abweichung erfolgen. Üblicherweise werden dafür maximal 48 Stunden akzeptiert.


Mit der Eröffnung der Abweichung ist diese nun formal im Qualitätssystem geführt, und es folgt die Problembeschreibung. Dabei lautet die Devise: Fakten, Fakten, Fakten, also noch keine Ursachenermittlung!


Als Datenquellen können folgende Unterlagen herangezogen werden:

  • Chargendokumentation inklusive Aufzeichnungen von Prozessparametern,
  • Logbücher,
  • Ergebnisse und Trends von Inprozesskontrollen oder
  • Ergebnisse und Trends von Prüfungen des Fertigprodukts sowie von Wirkstoffen, Hilfsstoffen, Zwischenprodukten und Packmitteln oder
  • Mitarbeiterbefragungen.


Daneben kann man natürlich auch sekundäre Informationsquellen nutzen. Hierzu zählen

  • Entwicklungsberichte,
  • Validierungsberichte,
  • Product Quality Reviews oder die
  • Änderungshistorie sowie
  • Meldungen zu unerwünschten Nebenwirkungen oder
  • Fachliteratur.


Nach der Datensammlung wird das Ereignis mit den etablierten Einschätzungen im Risikomanagementsystem verglichen. Sollte ein solches Ereignis bisher nicht berücksichtigt worden sein, ist der Risikomanagementprozess neu anzustoßen. Im Falle einer Abweichung in der Produktion gilt es außerdem, bereits frühzeitig zu entscheiden, ob oder bis zu welcher Stufe eine Weiterverarbeitung von Zwischenstufen möglich ist.


In diese Überlegungen fließen sowohl mögliche Risiken für das Produkt als auch für die Umgebung sowie Maschinen und Anlagen und andere Prozesse mit ein.


Und damit kommen wir zu einer der wichtigsten, aber auch anspruchsvollsten Aufgaben im Rahmen des Abweichungsmanagements: die Ursachenermittlung. Sie bietet sicher Stoff für eine eigenständige GMP-and-TEA-Episode, deshalb an dieser Stelle nur so viel: Die Ermittlung der Fehlerursachen, eine sogenannte Root Cause Analysis, ist unerlässlich. Denn bliebe die Ursache unbekannt, müsste man bei der Beurteilung des Risikos von einer unbekannten Auftrittswahrscheinlichkeit ausgehen, was wiederum zu einem möglicherweise hohen Risiko einer wiederholten Abweichung führen würde.


Es ist wichtig, nicht nur die direkte, möglicherweise offensichtliche Fehlerursache zu betrachten. Die zugrunde liegenden Ursachen, true root cause, gilt es zu erforschen – auch wenn dies bedeutet, dass sensible Bereiche wie das Qualitätsbewusstsein und die Fehlerkultur Einzelner oder aber die der Organisation als Ganzes auf dem Prüfstand sind. Nur wenn dies geschieht, können sinnvolle und effektive Maßnahmen definiert werden.


Bei der Bearbeitung von Abweichungen tendieren wir alle gern dazu, uns mit vorschnellen Erklärungen wie zum Beispiel dem in der Überschrift erwähnten „menschlichen Fehler“ zufriedenzugeben. Eine solche Betrachtung bliebe an der Oberfläche. Hier darf die Ursachenermittlung nicht aufhören, vielmehr kann eine solche Feststellung als Startpunkt für die weitere Untersuchung angesehen werden.


Schließlich können einem human error die unterschiedlichsten Ursachen zugrunde liegen:

  • Überlastung,
  • fehlende Eignung,
  • Arbeitsumgebung,
  • Komplexität der Aufgaben,
  • Führungsfehler oder aber
  • Prozessschwächen

sind die gängigsten Erklärungen.


Für alle Fälle sollten die identifizierten oder wahrscheinlichen Ursachen durch eine zweite Funktion, wie die Qualitätssicherung, hinterfragt und plausibilisiert werden.


Es ist üblich, Abweichungen hinsichtlich ihres Risikos zu kategorisieren. Dies erfolgt in der Regel durch die Qualitätssicherung und muss sich an festgelegten Kriterien orientieren, um natürliche Interpretationsspielräume für unterschiedliche Personen oder Gruppen zu vermeiden. Häufig findet man die Kategorien minor, major und critical für die Einstufung von Abweichungen.


Danach folgen die Festlegung und Genehmigung der Maßnahmen. Dies stellt nicht nur sicher, dass die Informationen über Risiken und Maßnahmen weitergegeben werden, sondern auch, dass es sich um geeignete Maßnahmen handelt.


Sind die CAPA-Maßnahmen umgesetzt, erfolgt die Effektivitätsprüfung.


Im Fall von Korrekturen an einer Charge wird deren Wirksamkeit direkt im Rahmen der Abweichung zum Beispiel über die Chargenqualität bewertet. Für CAPA-Maßnahmen müssen geeignete Prüfmodelle festgelegt werden. Dies kann beispielsweise die verringerte Anzahl von ähnlichen Abweichungen innerhalb eines festgelegten Zeitraums sein. Oder es können Trendanalysen mit der entsprechenden statistischen Bewertung verwendet werden. Auf diese Weise erhält man eine abschließende Risikonachbetrachtung.


Mit dieser Effektivitätsprüfung ist das Abweichungsmanagement allerdings noch nicht ganz abgeschlossen. Es fehlt noch die periodische Überprüfung von Abweichungen, Maßnahmen sowie deren Effektivität, um die Risiken erneut zu bewerten.


Hier sind grundsätzlich zwei Perspektiven zu unterscheiden. Die eine legt den Fokus mit dem jährlichen Product Quality Review auf die Produkte. Die andere entspricht einer übergreifenden Bewertung der Abweichungen und resultierenden Maßnahmen, beispielsweise im Management Review. Ziel ist in beiden Fällen die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse und Abläufe.


Zum Schluss noch einige allgemeine Bemerkungen zum Thema:

Eine besondere Bedeutung hat das Abweichungsmanagementsystem für die Qualified Person, also die sachkundige Person. Letztendlich muss sich diese auf die Funktionalität und Effektivität des Abweichungsmanagements verlassen können.


Da die Qualified Person für eine Freigabe die Abweichungen zu einer Charge bewerten muss, empfiehlt es sich, sie bereits in die Genehmigung von Abweichungen zu involvieren. Um die Abläufe dennoch effizient zu gestalten und die QP zu entlasten, hat es sich bewährt, geringfügige Abweichungen durch zentrale Funktionen wie die Qualitätssicherung abschließen zu lassen.


Zum Zeitpunkt der Freigabeentscheidung müssen der Qualified Person alle Abweichungen abgeschlossen vorliegen. Sinnvoll ist es natürlich, wenn das elektronische Abweichungssystem mit dem für die Freigabe verwendeten System gekoppelt ist. So liegen alle Abweichungen, vom Ausgangsstoff über Zwischenstufen bis zum Endprodukt, vollständig vor und werden in die Bewertung einbezogen.


Eine Freigabe von Chargen mit Abweichungen ist nur möglich, wenn die zugelassenen Spezifikationen eingehalten sind, die Abweichung unerwartet ist und sich auf die Prozesse und Methoden in Herstellung und Prüfung aus Zulassungs- oder GMP-Sicht bezieht; wenn die Abweichung gründlich untersucht und ihre Ursache behoben wurde, die Auswirkung auf Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit vernachlässigbar sind und die Notwendigkeit einer Stabilitätsstudie geprüft wurde.


Und somit sind wir schon wieder bei den drei Tipps angelangt, die wir Ihnen heute mit auf den Weg geben wollen. Beim Thema Abweichungen sind mir drei englische Formulierungen in den Sinn gekommen, weil sie mit ihrer Verknappung die Sache ganz einfach auf den Punkt bringen.

1. Don´t shoot the messenger: Pflegen Sie eine angstfreie Kultur in Ihrem Unternehmen. Der Überbringer der Botschaft sollte niemals zum Sündenbock gemacht werden. Auch der für eine Abweichung verantwortliche Mitarbeitende sollte sich nicht vor Konsequenzen fürchten müssen.

2. It‘s up to you: Ein erfolgreiches Abweichungsmanagementsystem ist nicht von der Stange zu haben. Implementieren Sie – natürlich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben – das System, das gut zu Ihrem Unternehmen, Ihren Prozessen und Ihren Projekten passt.

3. Better safe than sorry: Denken Sie bitte daran, dass die Folgekosten bei Verlust weiterer Chargen letztendlich höher sein können als die Kosten einer fundierten Ursachenermittlung und -verifizierung!


Unser Arbeitstitel für die 31. Episode ist:

Die Lieferantenqualifizierung ist Teil des Supply Chain Managements.

  • Wann ist eine Lieferantenqualifizierung notwendig?
  • Was sind die Anforderungen an die Supply Chain von Wirkstoffen und Packmitteln?
  • Welche Anforderungen müssen Dienstleister erfüllen?


Heute schließen wir mit einem Zitat des amerikanischen Satirikers und Journalisten Ambrose Bierce, der wegen seiner zynischen Aphorismen auch „Bitter Bierce“ genannt wurde. Zum Thema „Fehler“ soll er Folgendes gesagt haben:


Heute schließen wir mit einem Zitat des amerikanischen Satirikers und Journalisten Ambrose Bierce, der wegen seiner zynischen Aphorismen auch „Bitter Bierce“ genannt wurde. Zum Thema „Fehler“ soll er Folgendes gesagt haben:

„Einmal: oft genug.“


Mit einem durchdachten und konsequent umgesetzten Abweichungsmanagement kann man dieser Forderung recht nahe kommen.


Und damit bin ich schon wieder am Ende meiner Ausführungen und der heutigen Episode angelangt. Jedoch nicht, ohne Ihnen den folgenden Gedanken mit auf den Weg zu geben:


Lob für gute, fehlerlose Arbeit ist gang und gäbe. Ich finde, auch ein positiver Umgang mit einem Fehler, oder besser gesagt: ein Lob für den richtigen Umgang damit, sollte zum guten Ton gehören.


Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und dass Sie mit dabei waren. Ich freue mich, wenn Sie das nächste Mal wieder einschalten zu GMP & TEA.